Foto von E. Lienen

Warum fragt Ihr mich andauernd?

Lienen-Zyklus

Das Karussell dreht sich wieder sehr schnell

von David H. Gehne

Trübe Herbsttage. Die ersten Trainer packen ihre Taschen und werden mehr oder weniger stilvoll vom Hof gejagt. Natürlich hat jede Trainerentlassung ihre eigene Geschichte: selbstherrliche Präsidenten und Manager sprechen Machtworte, malade Diven verweigern die Fußballkunst und ungnädige Fans mobben an sich fähige Fußballlehrer aus der Trainerkabine. Trotz aller Besonderheiten lassen sich jedoch bestimmte Regelmäßigkeiten beobachten, die im Folgenden als der „Lienen-Zyklus“ bezeichnet werden sollen. Ähnlichkeiten mit lebenden Trainern und Vereinen sind dabei durchaus beabsichtigt.

Trainertypen

Der Feuerwehrmann:
Fast ausgestorben, die klassischen Feuerwehrmänner sind sesshaft geworden oder haben einen Imagewechsel hinter sich. Er ist total motivierend oder disziplinierend und greift erst mal hart durch und bringt die vom Fachmann verweichlichte und intellektualisierte Mannschaft auf Vordermann.
Beispiele: der frühe Felix Magath, Jörg Berger
Der Fachmann:
Hat das Abitur und eine Lehrerausbildung und selten Erfahrung als (Erstliga-)Profi. Er kann theoretisch denken, verwendet Zettel und Taktiktafeln und kennt verschiedene Spielsysteme. Er hat im Ausland hospitiert. Der Fachmann appelliert an die Intelligenz seiner Spieler (großer Fehler) und ist daher auf einen bestimmten technisch versierten Spielertyp angewiesen. Der Fachmann scheitert oft an den alltäglichen Herausforderungen des Trainergeschäftes wie Volkstümlichkeit oder rechthaberischen Vereinspotentaten.
Beispiele: Volker Finke, Ewald Lienen, Ralf/Rolf Rangnick, der aktuelle Felix Magath
Der Exot:
Seine Hauptqualifikation liegt darin, dass er woanders her kommt und die Bundesliga nur aus dem Fernsehen kennt. Er hat neue Trainingsmethoden, Spielsysteme und/oder gar ganze Mannschaftsteile im Gepäck. Man sagt, er habe in andern Ligen Großes vollbracht. Manche Vereine nehmen in einem Akt der Autoaggression und des Masochismus gerne den Trainer, der sie gerade aus dem Uefa-Cup o.ä. Wettbewerben geworfen hat. Der Exot spricht ein lustiges Deutsch. Sein Ruf ändert sich aber oft schnell. Wird dann noch eine Weile munter in der Liga rumgereicht und verschwindet dann wieder.
Beispiele: Eric Gerets, Kurt Jara, Huub Stevens, Dick Advocaat
Der Erfolgstrainer:
Hatte bei anderen Vereinen ganz viel Erfolg, ein großes Gehalt und ein noch größeres Ego. Irgendwann lief es dann selbst bei ihm nicht mehr und er musste gehen. Spielt jetzt Golf und besucht internationale Fußballspiele oder kümmert sich um seine Familie. Er ist immer ein Argument und verursacht Geraune hinter vorgehaltener Hand, wenn mal wieder jemand auf der Kippe steht.
Beispiele: Ottmar Hitzfeld, Jupp Heynckes, damals Udo Lattek
Der Rookie:
Eine total unkonventionelle Lösung der Trainerfrage. Oft ehemalige Spieler, die zweite, dritte oder vierte Trainer bei ihrem Verein sind. Nach der Entlassung müssen sie ran und können wegen anhaltendem Erfolgs und großer Liebe der Fans nicht mehr gegen einen der anderen Typen ausgetauscht werden. Meistens ist ihr Verein auch total pleite und deshalb an dieser vergleichsweise billigen Lösung interessiert. Er kann sich entweder auf Dauer etablieren oder wird nach nicht allzu langer Zeit gegen einen „richtigen“ Trainer ausgetauscht.
Beispiele: Thomas Schaaf, Thomas Doll, der frühe Matthias Sammer, Holger Fach

Phase 1: Entlassung

Es kommt der Herbst, das Tabellenbild der Bundesliga beginnt sich langsam zu konsolidieren und die ersten Runden des DFB-Pokals sind absolviert. Bei den einen lief es gut, bei anderen schlechter, entscheidend für die Ausgangssituation ist allerdings das Verhältnis der eigenen Ansprüche (mindestens Uefa-Cup-Platz) zum erreichten Tabellenplatz.

In unserem fiktiven Verein lief es nicht so gut, man hält beständig Kontakt zu den Abstiegsrängen und im Pokal hat man sich gegen einen dieser lästigen Amateurvereine im Elfmeterschießen verabschiedet. Trotzdem hat man sich natürlich am Anfang der Saison über die eigenen Verhältnisse mit neuen Spielern verstärkt und ein neues Stadioncenter mit Gastronomie und VIP-Logen gebaut. Das halten manche Leute eben für professionell, ist aber nur ein Ausdruck des inzwischen in der Bundesliga grassierenden, mittelmäßigen Größenwahns.

Triefnasser Trainer mit hängenden Armen

Samstag, 17:30, zuhause 0:3 gegen einen Aufsteiger verloren. Der einzige echte Leistungsträger fällt aufgrund einer Verletzung längerfristig aus und die „echte Verstärkung“ sitzt nur auf der Bank. Der Manager verkündet im Interview, man würde hinter dem Trainer stehen, der ja nicht auf dem Platz stehe. Er sei ein echter Fachmann, den man ja geholt habe, um langfristig zusammen arbeiten zu können. Es wäre klar, dass der Umbau nicht einfach werden würde. Die Mannschaft sei schuld, man erwarte mindestens vier (!) Punkte aus den nächsten beiden schweren Auswärtsspielen. Ist das ein Ultimatum für den Trainer? Auf keinen Fall! Kurz, es sieht übel aus. Dazu liefert das Fernsehen die entsprechenden Bilder, Sitzblockade vor dem Mannschaftsbus, triefnasser Trainer mit hängenden Armen sowie hochgezogenen Schultern und einen Manager, der bei Interviews kein einziges Mal in die Kamera guckt, da er ein schlechter Lügner ist.

Eine Woche später ist alles vorbei. Nach der unvermeidlichen Niederlage („Die Mannschaft hat gegen den Trainer gespielt.“) muss der Trainer Sonntag morgen um 11 Uhr bei der Vereinsführung antreten und bekommt seine Papiere. Die Spieler fahren gerade in ihren Limousinen zum Training vor. Lange Gesichter, lahmes Gestammel bei Parkplatzinterviews, doch mancher kann sich auch ein Grinsen nicht verkneifen.

Das Management befindet sich in Erklärungsnot. Der tolle Trainer, den man vor gar nicht allzu langer Zeit geholt hat, war dann wohl doch nicht der Hit. Da hätte man doch lieber nicht den am Ende der Saison auslaufenden Vertrag vorzeitig um fünf Jahre verlängern sollen, denn das wird jetzt richtig teuer. Dazu kommen manchmal noch geheuchelte Treueschwüre für den entlassenen Trainer gefolgt von Schuldzuweisungen an die Fans oder die Mannschaft, die man ja beide leider nicht austauschen könne. Es folgt …

Phase 2: Interregnum

Einer aus der zweiten Reihe, meist der Co-Trainer oder Jugendtrainer muss jetzt mit der Mannschaft arbeiten. Es folgen Siege oder zumindest ehrenvolle Unentschieden, da die Mannschaft jetzt unverkrampfter zu Werke geht und auch das Glück zurück kehrt. Hinter den Vereinskulissen beginnen hektische Aktivitäten, ein neuer Trainer muss her. Wichtig ist das Kontrastprogramm, war vorher ein Fachmann am Werk, muss es jetzt ein Exot sein oder wenn es ganz schlimm ist, ein Feuerwehrmann ran. Oder es wird von Erfolgstrainern geraunt, oft auch als Ablenkungsmanöver und zur Befriedigung der kritischen Öffentlichkeit, der nach Absage des Erfolgstrainers aufgrund stark abweichender Gehaltsvorstellungen die ohnehin angestrebte Lösung präsentiert werden kann. Der Plan der Cluboberen kann empfindlich gestört werden, wenn der Übergangstrainer zu viel Erfolg hat und zum Rookie wird. Wohl oder übel muss man dann mit ihm weitermachen. Auf jeden Fall folgt…

Phase 3: Konsolidierung

Ob Rookie oder neuer Trainer eines anderen Typs: es läuft weiter erst mal wieder besser. Man fährt Punkte ein, die man vorher nicht bekommen hätte und verletzte Spieler sind wieder einsatzbereit. Dann kommt die Winterpause und im Frühling kriegt die Mannschaft einen richtigen Schub. Aber richtig gut ist sie immer noch nicht. Wie auch, es sind immer noch die selben Spieler. Aber ein Platz im soliden Mittelfeld ist drin. Exoten und Fachmänner fangen jetzt gerne an, mit tollen Systemen rumzuexperimentieren, nachdem sie zuerst alles genauso gemacht haben wie ihr Vorgänger. Das führt dann dazu, dass gegen Ende der Saison die Ergebnisse wieder schlechter werden. Es folgt…

Phase 4: Abnutzung

Spätestens jetzt ist klar, dass sich eigentlich nicht wirklich viel geändert hat. Die Motivationskurve der Spieler sinkt. Die gegen Ende der Saison beginnende Diskussion um Mannschaftsumbildung und Neuverpflichtungen tut ihr übriges. Ein paar Spieler müssen dann gehen, ein paar neue, die man sich noch leisten Maso kann, kommen und der Trainer muss sich jetzt vom Management sagen lassen, dass das jetzt SEINE Mannschaft sei und er am Erfolg gemessen werden würde. Am Ende steht Platz 11 und die Frage, ob das Glas jetzt halb voll oder halb leer ist. Unweigerlich folgt…

Phase 5: Niedergang

Die neue Saison steht an, große Pläne werden verkündet. Mindestens internationales Geschäft, der Trainer warnt vor zu hohen Ansprüchen. Erfolge in der Saisonvorbereitung geben Anlass zur Hoffnung. Der erste Spieltag kommt und endet mit der ersten Niederlage. Verletzungen und ein ungünstiger Spielplan sind Schuld, die Schiedsrichter haben sich verschworen und was sich sonst noch so an Ausreden finden lässt kommt zur Sprache, damit man nicht zum wahren Kern des Problems (der falschen Politik der Vereinsführung) vordringen muss. Der Sommer geht zuende. Die Blätter fallen. Kommt einem alles irgendwie bekannt vor, denn unvermeidlich folgt…

Phase 1: Entlassung

Es kommt der Herbst, das Tabellenbild der Bundesliga beginnt sich langsam zu konsolidieren […]