Einwurf

Meine Spieler mal unters Volk schicken? Warum nicht!

von JÜRGEN KLINSMANN, Bundesnati-Trainer, gelernter Stürmer, einst Weltmeister mit Deutschland, Visionär mit USA-Erfahrung

Etwas mulmig war den DFB-Herren wohl wegen der Planungen für den Tripp nach Leipzig. Weitblickende Angestellte aus der arbeitenden Ebene des DFB hatten schon früh die Befürchtung geäußert, dass wir die Nati-Kicker in Leipzig vor Probleme stellen könnten: Der Plan war, den Aufenthalt in Leipzig für die Nati-Spieler zu einem Erlebnis mit ungewohnten Eindrücken zu machen.

Standardisiert Training und Spielvorbereitung. Ungewöhnlich war unsere Initiative, die Kicker mitten ins normale Leben zu schicken: Besuch einer Kinderkrebsklinik, Treffen mit Schulkindern oder eine Medienschulung unter Leitung von Marcel Reif standen auf dem Programm.

Das Ziel solcher Aktionen ist ganz einfach: Die Nati-Spieler haben eine besondere Verantwortung in der Öffentlichkeit. Und daher sollen alle ein bisschen so werden wie der Oli und ich. Dabei wissen wir um die großen Risiken. Immerhin lassen wir die Kicker in echt auf die Bevölkerung los. Aber im Vorfeld einer jeden Reise lassen wir jedem Berufenen eine Liste mit Verhaltensweisen und Informationen zukommen, die sie lernen und immer bei sich tragen sollen. Ob wir es mit der Nati allerdings wirklich schaffen, uns ein neues, weltoffenes Image zu erarbeiten, und ob die Nati-Kicker in der Lage sein werden, das Bild der Millionäre in kurzen Hosen ohne soziales Interesse oder soziale Verantwortung zu überwinden und den Ruf als abzockende Nutznießer einer ungebremsten Unterhaltungsindustrie zum überholten Klischee zu degradieren, wird die Zukunft zeigen. Aber immerhin kann man sich sicher sein, dass ein Team, welches derartig große Herausforderungen übersteht und sich auch in diesen schwierigsten Situationen durchbeißt, eine gute Chance hat, 2006 im eigenen Lande Weltmeister zu werden. Es sei denn, die Funktionäre bestehen darauf, dass die Nati-Spieler während des Turniers wieder verhätschelt werden, indem alles von der Anreise über die Übernachtung bis hin zum Tagesablaufplan und zu den Mahlzeiten vorgegeben und perfekt organisiert sein wird. Aber warum sollte man da von der harten Vorgehensweise bei den Abenteuerreisen abweichen?