Westfalenstadion vor dem Derby

Augen hoch in Dortmund

Giftpfeilschiessen

DAS deutsche Derby

Wie jedes Mal hätte es Ewig-Spielplanleiter Hans Georg Noack nicht spannender ansetzen können. Eine ganze Nation fiebert mit und die Fernsehanstalten bereiten sich auf ein Mega-Spektakel vor. Zeit, Öl ins Feuer zu gießen, denn das tut ja leider keiner mehr. Entweder die einen oder die anderen meinen, sich stattdessen mit dem Hoeneß auseinandersetzen zu müssen. Unser "Erster Alles" auf diesem Gebiet ist Volker Grimm.

Donnerstag, 02.12.
Eine E-Mail von Peter, wie schön. Die Vorberichterstattung auf der Schwalbeseite gefällt ihm. Er nennt mich Hemingway, wie nett. Unser Studium sind wir damals so angegangen, als wären wir die kleinen Brüder von Hemingway, Kerouac oder Djian. Das stößt im Lehrstuhl für Bauingenieurwesen auf wenig Gegenliebe. Ständige Auswärtsfahrten innerhalb Deutschlands (beide) und Europas (nur ich, weil „in Europa kennt euch keine Sau“) hätten uns nach heutiger Gesetzeslage ordentlich blechen lassen. Muss Ricken eigentlich für sein Fernstudium schon bezahlen?

Der königsblaue Lebenskünstler schlägt einen Schlagabtausch à la Hauser und Kienzle vor, nichts dagegen. Das verdichtet die Derby-Atmo, wie ich mal jugendlich knapp formulieren möchte. Im Anhang schickt er mir noch die Begründung der hohen Arbeitslosenquote unter Gelsenkirchens Graphik-Designern: Ein böses, böses Totenkopfmonster mit S04-Tattoo auf der Stirn greift das Westfalenstadion an. Die Wahrheit sieht doch anders aus. Ein Mob mit dem IQ eines Totenschädels fällt grölend über das beschauliche Dortmunder Kreuzviertel her und uriniert Häuserwände und Vorgärten voll.

Ganz Herne scheint die Dödel auszupacken, um einen Blitzkrieg gegen Heckenrosen und Buchsbäume zu führen. Tun sie das im Auftrag der Dortmunder Gartenmärkte (Hohensyburger, Augsburger, etc.) oder liegt es daran, dass die Firma Tena noch keine blau-weißen Inkontinenzprodukte auf den Markt gebracht hat? Dann aber schnell nachholen.

Freitag, 03.12.
Das Dortmunder Lokalblättchen Ruhr-Nachrichten ist mal wieder topaktuell und bringt einen Sonderteil zum Derby. „...das deutsche Derby schlechthin. Lange eins auf Augenhöhe“. Ich freue mich, dass der Verfasser ein aufmerksamer Leser unserer Seite ist. Nächstes Mal aber wieder selbst formulieren, sonst müssen wir beide nach vorne zum Lehrer.

Die Augenhöhe sehe ich weiterhin gewährleistet. Wenn Meier und Assauer auf ihren Schuldenbergen stehen, sind sie fast gleich groß. Die Identifikationsfähigkeit beider Mannschaften mit ihren Fangemeinden ist unglaublich. Brasilianer, Tschechen, Dänen und was der Bosmarkt noch so hergegeben hat, tummeln sich beim Revierschlager aufm Platz. Da, wo maßgeblich ist.

Oliseh und Assamoah singen gemeinsam im Gospelchor, Dede und Lincoln schwänzten zusammen die Schule, Ricken und Böhme frieren auf der Tribüne, Zorc, Reuter, Anderbrügge und Thon prosten sich in schicken Vereinssakkos mit Prosecco zu. Wer sorgt denn da noch für die Rivalität?

Peter und ich. Gefahrensucher Kubanek bei seinen Expeditionen durch Gelsenkirchen. Tausende auf der Südtribüne, denen es nicht vergönnt war, eine Profilaufbahn einzuschlagen und deshalb schlecht bezahlten, akademischen Berufen nachgehen müssen, sowie Hunderte auf der Nordtribüne, denen es nicht vergönnt war, eine Schullaufbahn einzuschlagen, die aber durch ihren konsequenten Boykott von Zahnärzten und Friseuren bundesweite Bekanntheit erlangt haben.

Ich freu mich aufs Spiel.