Foto von Straßenschild:

Warum in Köln? Gibt es nirgendwo anders gute Wohnungen?

WM-Städte 2006 im Test

WM-Städte 2006 im Test Teil 2: Köln

Zum zweiten Mal stürzte sich ein Mitglied der Redaktion in das Abenteuer Stadterkundung mit Blick auf die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, und zwar ich. An der Reihe war mit Köln der dritte Standort in NRW neben den Fußball-Hochburgen Schalke (wir berichteten) und Dortmund (vielleicht berichten wir noch). Die Berufung Kölns war lange ungewiss, beklagte das OK des DFB doch bei einem Spiel des heimischen FC Köln qualitativ schlechte Bratwürste und Fußball auf Zweitliga-Niveau. Nach einem Besuch beim Hauptkonkurrenten in Düsseldorf fiel dann allerdings gänzlich überraschend doch die Wahl auf Köln.

Mit ausschlaggebend dafür war sicherlich die Begeisterung der Kölner für ihre eigene Stadt. Der Kölner als solcher verfügt schon hinsichtlich der Realität über einen gesunden Größenwahn, aber in der Darstellung zukünftiger Projekte in seiner Stadt, vermag das „gesund“ zu einem „unsterblich“ zu werden.

Insgesamt ist diese Eigenwertschätzung aber gar nicht so schlimm, denn der Kölner weiß im Prinzip um diesen Umstand und ist dann meistens mit rheinischer Frohnatürlichkeit bemüht, die erschreckende und überraschende Erkenntnis, dass manches gar nicht so großartig ist wie dargestellt, zu entschuldigen, schön zu reden, aus einem Elefanten eine Mücke zu machen und derlei Dinge mehr. Also ist der Kontakt zu den Wahlkölnern durch aus ein angenehmer.

So gibt es offiziell drei deutsche Millionenstädte und in Köln gibt es vier. Aber wollen wir nun nicht kleinlich sein und gönnen dem Kölner seinen Glauben. Dieser ist nämlich einer der wichtigsten Bestandteile in der Identitätsfindung und der Selbstwertschätzung des Kölners als solchem. „Größenwahn mit Herz“ könnte das offizielle Motto dieser Stadt lauten. (vgl. auch die Fotos) Offizielle Vor- und Angaben sind in aller Regel nicht das wert, was sie versprechen sollen. Als plakatives Beispiel sei der FC Köln genannt. Nach drei Spieltagen warum auch immer ohne Niederlage, handelt der normale Kölner seinen Verein als Meisterschaftskandidaten Nummer eins.

„Wenn man kein Interesse am Fußball hat, kann man auf seine Kosten kommen.“

Apropos Fußball. Überraschenderweise hat es ziemlich lange gedauert, bis ich in Köln zum ersten Mal mit dem Thema Fußball konfrontiert wurde. Es war ein Anruf aus der Redaktion. Und das obwohl ich schon rund zwei Stunden durch die Stadt recherchierte. In der selbsternannten Metropole wurde ich erstmals des Fußballs gewahr, als ich mich zum Stadion begeben hatte. Wie nicht anders zu erwarten, empfing mich auch dort ein noch nicht komplett fertiges Gelände, sondern eins in fortgeschrittener Bauphase. Immerhin ist das Stadion von außen vollständig fertig und man muss zugeben, dass es ein ziemlich unansehnlicher Klotz geworden ist. Aber die Umgebung des Fußballspielortes ist wirklich sehr nett. Wenn man also kein Interesse am Fuß ball hat, kann man um Müngersdorf herum sehr gut auf seine Kosten kommen. Da wir nun schon mitten in der Bewertung sind, kurz noch etwas als Zwischeninformation: Ähnlich dem DFB-Organisationskomitee war uns eine umfassende Bewertung aller relevanten Kriterien ziemlich schwierig, weil:

  • mir die Spesen gekürzt wurden, nachdem ich in Gelsenkirchen diese Heft-Ausgabe fast aufs Spiel gesetzt hätte.
  • in Köln hinsichtlich der WM 2006 noch vieles im Fluss ist.
  • Ich daraufhin auf die Aussagen der Einheimischen setzen musste, nach denen Köln spätestens im Oktober 2004 London und Paris alle Ränge abgelaufen haben und der FC Köln die Erfolgsserie von Real Madrid aus den 50er Jahren noch in den nächsten zehn Jahren in Vergessenheit geraten lassen wird.

„Beim Köbes steht nie der Gast im Mittelpunkt, immer das Bier.“

Mit derartigen Auskünften wird der Großteil der Fußball-Touristen allerdings erst gar keine Probleme haben. Schwierig genug wird es für den Fußball-Kölnbesucher, die primären Bedürfnisse zu befriedigen, ist er doch in dieser Zielsetzung oftmals abhängig von Kellnern, die in Köln auf die Bezeichnung „Köbes“ hören. Problem dabei: Gäste meinen zwar, der Köbes sei ein Dienstleister, doch er selbst versteht sich nicht als solcher. Zuoberst fühlt sich der Köbes dem Bier verpflichtet, daher arbeitet er gern dort, wo es welches gibt. Allein sein inneres Bedürfnis, diese Liebe mit anderen zu teilen, bewirkt, dass er zu einem an den Tisch tritt und ein leergetrunkenes Glas durch ein volles ersetzt. Dies dafür ohne Unterlass und unaufgefordert. Qua Abhängigkeitsverhältnis zwischen Gast und Köbes sieht er sich als eine Leitfigur, die unabhängig vom Gast und vollkommen autark handelt. Im Mittelpunkt dabei nie der Gast, immer das Bier. Dabei duldet er es übrigens nicht, gestört zu werden. Am besten steht man also nicht im Weg, diskutiert nicht über irgend etwas oder schickt sich auf keinen Fall an, eigene Witze reißen zu wollen. („Der FC steigt auf.“) Und das Schlimmste wäre, auf die Idee zu kommen, etwas anderes als Kölsch trinken zu wollen. Am besten ist: Hinsetzen, austrinken, nicht nachfragen.

Ein besonderes dieser Köbes- Exemplare war denn auch extra für uns abgestellt. „Mädels, für Euch auch zwei?“ eröffnete der gut gelaunte Mann hinter mir. Als er dann an mir vorbei ging, bemerkte er, dass ich weder eine ungarische Hammerwerferin, noch eine griechische Sprinterin war, sondern schlicht gar kein Mädel. Aber noch immer gut gelaunt und mit einem akzeptablen Zopf-Spruch schlich er von dannen. Schnell standen zwei Reagenzgläser auf unserem Tisch, prallgefüllt mit gelber Flüssigkeit. Als ich meine Kamera rausholte, um mein noch volles Glas zu fotografieren, fühlte sich der Köbes genötigt, das tolle „Kölsch“ zu loben und auszuführen, dass es dies ja sonst nirgendwo gäbe. Genau. Und das ist auch gut so. Ich erklärte ihm, dass ich den Kack nur für eine Reportage dokumentiere und gerne ein Pils-Bier hätte. Schade, ab da gab es gar nichts mehr.

„Die heimischen Fußballkapellen ‚De Höhner‘, ‚BAP‘ und ‚Bläck Fööss‘ werden während der gesamten WM im Einsatz sein.“

Reibungsloser sollte die Unterbringung der angereisten Fußball-Fans funktionieren. Köln verfügt über den stadtnahen Flughafen Köln/Bonn, wo die Billig-Airlines German Wings und HLX ihren Sitz haben. So können die europäischen Fans zwecks Übernachtung preiswert kurz nach Hause düsen und die nichtkontinentalen Gäste auf das Hotelangebot in Paris, London, Madrid und anderswo zurückgreifen. „Wir haben mit den Airlines vereinbart, dass in der Zeit der Weltmeisterschaft Sonderflugzeuge für Fans eingesetzt werden.“ berichtet Josef Sommer von der Kölner Tourismus GmbH durchweg mit Stolz.

Darob froh dürften vor allem die musikalisch interessierten Fußballanhänger sein. Unterhaltung soll in Köln groß geschrieben werden. Die Planungen sind natürlich auch auf diesem Gebiet noch nicht abgeschlossen, aber fest steht, dass die heimischen Fußballkapellen „de Höhner“, „BAP“ und „Bläck Föös“ während der gesamten WM im Einsatz sein werden. Deren Gassenhauer werden in alle relevanten Sprachen der Gästemannschaften und -anhänger übersetzt, so dass das kölsch-übliche Mitgegröle und Geschunkel im Sinne der Völkerverständigung keinen Abbruch erleiden soll.

Insgesamt muss man verkehrstechnisch allerdings einen Minuspunkt konstatieren. In eine Millionenstadt sind wir bei den Recherchen natürlich per Auto gereist, da ja ein weites Feld zu beackern war. Beschilderung ist in der City auch reichlich vorhanden und prinzipiell ist die auch aufschlussreich, aber die Tatsache, dass bspw. die Kierberger Straße als eine von rund 150 Straßen gesperrt ist und man daher den Bischofsweg nutzen soll, macht dem Auswärtigen die Zielfindung nicht einfacher. Also wenden in drei Zügen? Pustekuchen. Einbahnstraße. Von daher habe ich das Schild mit dem Hinweis auf die Autobahn schneller und dankbarer angenommen, als es eigentlich geplant war.

Tja, liebe Kölner, Ihr mögt ja eine Karnevalsstadt sein und auch im Glauben leben, eine Fußballstadt zu sein. Aber „Das Real Madrid des Westens“ seid Ihr nicht. Obwohl. Da ich in einer Stadt nordöstlich von Madrid eh nicht weiß, was das sein soll, könnte ich da falsch liegen.