Unser Mann am Puls der Zeit

Er ist wieder da.

Grimms Sportblick

Die Wochen vom 20.10. bis zum 26.11.

Fußball und Sport generell. Die Schönste Nebensache der Welt führt doch immer wieder zu erstaunlichen Erkenntnissen und Überraschungen. Auch unser Redakteur Volker Grimm ist weiterhin noch leicht irritiert, so beispielsweise in den Wochen vom 20.10. bis zum 26.11.

Mittwoch, 20.10. bis Freitag, 26.11.
Wegen eines frisch operierten Knorpelschadens und des vollzogenen Kaufes eines kompletten Hauses verzichte ich darauf, das sportliche Treiben jenseits meines neuen Grundstücks zu verfolgen. Ich genieße die modernen Zeiten. Bei meiner letzten Verletzung, einem Wadenbeinbruch kurz vor der Südamerikareise der Nationalmannschaften im Winter 1977 (Manni Burgsmüller schoss unglaubliche 8 Tore für das B-Team — zumindest in meiner Erinnerung) verschrieb man mir Krankengymnastik. Diesmal bekomme ich Reha-Maßnahmen verordnet. Ich fühle mich wie ein Profi.

Ein Blick auf den Stundenplan im Reha-Zentrum verrät mir, wann es mir terminlich passt. Aus beruflichen Gründen, wie Baubesprechungen und Vergabeverhandlungen ist es mir nicht vergönnt, die Lücken in den Spalten Horst, Gabi, Renate oder Pascal auszufüllen. Morgen früh 10.15 Uhr habe ich Zeit für Mandy, der Bauherr kann auch mal warten.

Die Abende reserviere ich für Bauhausbesuche und Auftritte im größten Fliesenmarkt der Stadt. Am Wochenende verzichte ich darauf zuzusehen, wie Rosicky an der Hamburger Mauer scheitert, und gehe lieber erfolgreich gegen die Wand im Schlafzimmer vor. Mein Makita Hammer hat allerdings auch mehr Bumms als Rosis dünne Pinne. Einen Rüffel heimse ich mir ein, als ich meinen Einkaufswagen, beladen mit 1 cbm Porenbetonsteinen, 7 Säcken Fliesenkleber und 10 Gipskartonplatten gegen einen jungen Mann steuere.

Hoppla, das letzte Mal sah ich ihn vor einer Woche. Er trug einen weißen Kittel und empfahl mir, 4 Wochen mit Unterarmstützen zu gehen und das Knie nicht zu belasten.

Ist doch irgendwie eine Rollgehhilfe, behaupte ich und meine zweijährige Tochter, die auf meinen Schultern sitzt, ist keine Belastung, sondern ein absolutes Wunschkind.

Die Fertigstellung des Umbaus und die komplette Gesundung des Knies schreiten einträchtig voran. Umzug und Comeback sind in Sichtweite. Das einzig wahre Derby in der Bundesliga ebenfalls.

Keines dieser Duelle, in denen zwei Städte aufeinander treffen, die 200 km auseinander liegen. Keines dieser Duelle, in denen der Platzhirsch die örtliche Fahrstuhlmannschaft ordentlich verprügelt. Nein, Borussia gegen Schalke, immer packend, immer aggressiv, immer auf Augenhöhe. Jedenfalls bis zum Anpfiff. Dann beginnt das unansehnliche Gestochere.

Die Vorbereitungszeit ist in diesem Jahr besonders intensiv. Aus häuslichen Kniegründen habe ich meine Dauerkarte bis zum 30.11. verliehen. Und Anfang November meldet sich mein alter Freund Peter bei mir. Nach satten 6 Jahren. Seitdem im Nachbarcamp eine Bombe eingeschlagen ist, arbeitet er nicht mehr in Saudi-Arabien, sondern in Dortmund. Das erscheint dem Normalsterblichen sicherer. Ist es aber nicht, denn Peter ist Schalker.

Samstag, 27.11.
Ein Bundesligaspieltag ohne jede Aussagekraft. Der BVB verliert sein unwichtiges Auswärtsspiel im vom Nieselregen grauen Bremen. Bremen, schon bei dem Gedanken ziehe ich mir eine dicke Jacke an. Und die kriegen meine schwarz-gelben traditionell voll, wenn sie an die Weser reisen. Nächste Woche ist das alles vergessen. Dann haben Rosicky und Dede ihre Formkrise beendet, Kringe trifft endlich mal das Tor und nicht nur die Flutlichtmasten und Ewerthon, der kleine Scheißer, wird auf dem Klo eingeschlossen.

Sonntag, 28.11.
Der Gegner lässt sich von leichten Erfolgen blenden, von einem 2:1 gegen Bielefeld einlullen. Das spricht für uns. Nächsten Sonntag wird abgerechnet. Unter van Marwijk hat der BVB noch kein Spiel gegen Gelsenkirchen verloren. Das gesamte letzte Heimspiel gegen Freiburg wurde gewonnen.

Die Statistiken sprechen also für uns.

Montag, 29.11.
Peter und ich beschließen, das Derby bei einem guten Mittagessen mit Pils ab 14.30 Uhr in Schürmanns Cafebar und Wiese einzuleiten. Wie Meier und Assauer oder Lemke und Hoeneß. Nur, dass wir danach zu Fuß zum Stadion gehen und nicht mit dem Hubschrauber oder dem Unterseeboot. Einzige Bedingung für die bekennende Schalkesau: Der Name des Wirtes Yves wird nicht mit langgezogenem Anfangsbuchstaben durch den Raum proletet.

Aus eigenen Stücken verzichtet er weiterhin auf das Anpöbeln der Umhersitzenden, das Umfallen mit Barhockern und das Anmachen aller annähernd weiblichen Gäste. Wie kann sich ein Mensch nur so ändern? Er wird alt, der Peter.

Dienstag, 30.11.
Die 14-jährige Nachbarin Svenja bringt mir meine Dauerkarte zurück. Seit zwei Jahren ist sie BVB-Fan und erhält von mir sämtliche Unterstützung, die sie benötigt und zu Hause nicht bekommt. Rabenvater und Rabenopa unterstützen den blau-weißen Verein aus der Stadt mit den vielen Arbeitslosen. Obwohl ich mich deshalb mehrfach an das Jugendamt gewendet habe, ist von dort noch keine Reaktion erfolgt.

Wann erkennt dieser Staat eigentlich seine Pflichten?

Abends sehe ich Zorc und van Marwijk auf dem Weihnachtsmarkt — ein gutes Omen.

Mittwoch, 01.12.
Die Mannschaft, die mein holländischer Supertrainer jahrelang aufgebaut hat, fegt den FC Schalke 04 aus der "Wanne". Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten werden die kleinen Schmutzfinken in dieser Woche noch einmal baden gehen.

Ein völlig aufgelöster Stürmerdarsteller namens Hanke teilt heulend mit, dass der Trainer ihn nach dem Spiel in die Arme genommen habe. Da wird der Herr Professor Rolf am Sonntag aber alle Hände voll zu tun haben.