Foto von Günter Netzer mit seinem Ferrari

Stand gern auch mal an der Ampel: Standmensch Netzer

Jahrhundert-Persönlichkeiten

Günter Netzer-Special zum 60. Geburtstag — Aus der Tiefe des Raumes

Schon gut, Filmhandlungen müssen nicht realistisch sein. Das wissen wir schon seit jenen seligen Zeiten, als wir mit dem festen Glauben aufwachsen durften, dass Grashüpfer Zylinder tragen, beim Springen „Hupf, Hupf“ rufen und mit netten Bienen tolle Abenteuer bestehen. Auch ist uns der Gedanke nicht fern, dass sich pubertierende Jungs bisweilen die Fleischwerdung der schwesterlichen Barbie-Puppe erträumen. Zugegeben, in Köln wohl eher die des eigenen Big-Jim-Mannes samt Entledigens der sperrigen Plaste-Buchse - aber das ist eine andere Geschichte. Insofern haben wir auch kein Problem damit, dass im neuen Film von Gil Mehnert, „Aus der Tiefe des Raumes“, (im Kino seit Mitte Dezember), das Lieblings-Tipp-Kick-Männchen des Hauptdarstellers und leidenschaftlichen Tischfußballenthusiasten Hans-Günther (Arndt Schwering-Sohnrey) mittels eines unbeabsichtigten Säurebades zum ausgewachsenen Günter Netzer mutiert.

Der Streifen bildet den vorläufigen Höhepunkt des Netzer-Hypes. Zwangsläufig entwickelt „Nummer 10“ (Eckhard Preuß) standfußballerische Fähigkeiten, gelangt in einen Lehrgang der niederrheinischen Bezirksauswahl und startet nach einem spektakulären Freistoßtor in einem Testspiel so richtig durch. Gladbach, Sieg in Wembley, das Pokalfinale gegen Köln usw. — klar, Netzer eben.

Ein Feuerwerk menschlicher Emotionen im Mienenspiel des Valerij Lobanowski

Das alles ist bisweilen nett erzählt, mit grotesken Situationen und feinem, wenn auch ab und an sehr gezwungenem Blick auf fußballerische Spezifika, so dass auch die überwiegende Mehrheit der 32 Millionen absoluten Fußballexperten dieses Landes gönnerhaft mit dem Haupte nicken und vor sich hin murmeln könnte, .ja, ja, so war das damals…“. Und wenn Frau oder Freundin wie beim Wunder von Bern wieder anfangen sollte rumzuzicken, und den gemeinsamen Kinobesuch brüsk boykottieren sollte („Tipp-Kick? Fußball? Netzer? Ohne mich!“), so kann Mann sie damit locken, dass die Handlung auch eine, wenngleich unglückliche, Liebesgeschichte („Na gut, aber Du bezahlst!“) bereithält. Allerdings wirkt die Gesichtsstarre von Netzer/Preuß mit zunehmender Spieldauer doch äußerst ermüdend. In Anbetracht dessen wird der kundige Zuschauer nicht umhinkommen, im Minenspiel des ehemaligen ukrainisch-sowjetischen Kulttrainers Valerij Lobanowski geradezu ein Feuerwerk menschlicher Emotionen zu entdecken. So rutscht man auch ob der zunehmenden dramaturgischen Langeweile irgendwann unruhig auf seinem Sitzplatz herum und sehnt sich den Schlusspfiff herbei.

Nun ja, die 11Freunde werden trotzdem, sofern der Filmverleih genügend Kohle für die Anzeige auf den Tisch legt, von einem tollen Fußballfilm, noch tollerer Tipp-Kick-Atmosphäre und dem tollsten Netzer überhaupt jubeln.