Zeitungsausriß aus der "Sun"

Beckham kann nicht nur eine Fliege von der Latte schießen

Footballreporting is coming home

Auf den Spuren der Reaktionen in der englischen Presse

Sonntag, der 05.09. und Montag, der 06.09.04

Rechtzeitig zum Frühstück wieder in unserer Unterkunft (vgl. Auf den Spuren der Traditionen im englischen Fußball), konnte ich entspannt die Zeitungen studieren. Und der Samstag hatte glücklicherweise ein 2:2 der englischen Nati gegen Österreich geboten. Daher hatte ich auf den ersten Blick viel Spaß mit den Schlagzeilen, Fotos und Diagrammen. Auf den zweiten Blick aber wurde mir gewahr, was zwar jeder irgendwie weiß, aber in konkreten Umsetzungen doch immer wieder unerwartete Ausmaße annimmt. Man muss konstatieren, dass die englischen Boulevardjournalisten schon eine gehörige Portion Kreativität haben. Einige deutsche Kicker sollten wohl nicht auf die Insel wechseln, so dünnhäutig,wie sie bei Journalistenfragen reagieren, auch wenn sie selbst der Meinung sind, Tacheles zu reden.

Warum verdienen die Spieler und vermutlich auch die Trainer (außer Sammer und Hitzfeld sowie die Nati-Trainer ab Klinsmann) durchschnittlich mehr als in Deutschland?

Englands Keeper David James hatte einen harmlosen, leicht abgefälschten Fernschuss „durch die Hosenträger“ zum 2:2 ins Tor gelassen. Sicherlich keine glückliche Wendung für Englands (dadurch ehemalige) Nummer eins, die schon im nächsten Qualifikationsspiel von Vertreter Robertson getragen wurde. Allen voran die „Sun“ hatte dem Coach aber auch kaum eine andere Wahl gelassen. Die Schlagzeile und den Spitznamen „Calamity James“ mit Pannen-James zu übersetzen, wäre noch eine nette Umschreibung. Und im Gegensatz zu James' Vorgänger David Seaman bekommt er bei Fehlern „die volle Breitseite“ der Kritik. Dieser hatte mittels eines — zugegeben ziemlich weitreichenden Tricks — die hämischen Schlagzeilen über seine Fehlgriffe abgedämpft. Zielen die Kommentare über James allein auf dessen Fehlleistungen, teilten die Journalisten bei seinem Vorgänger Seaman die grenzenlosen Witzigkeiten gerecht auf Fehler und beknacktes Aussehen auf.

„10 Anwärter, die bessere Komödianten und Entertainer sind“

Die Montagsausgabe der „Sun“ konnte sich aber ganz auf den Patzer des Keepers konzentrieren. Selbstredend hat der Mann das Spiel nahezu alleine verloren. Insgesamt sind der Abrechnung mit James komplette vier Seiten gewidmet, die er sich mit keinem seiner Kickerkollegen teilen muss. So ist der entscheidende Moment durch fünf Standbilder aus der Fernsehübertragung noch einmal eindrucksvoll nachgestellt. Dokumentiert werden zur Illustration auch frühere Fehler des Nati-Keepers in Länderspielen sowie weitere unglückliche Momente aus dem Österreich-Spiel. Eine Trainingsszene aus Wien macht darüber hinaus deutlich, dass er auf ein solches Fehlverhalten offensichtlich schon im Training hingearbeitet zu haben scheint. Einfallsreich geht die Demontage weiter. Aufgelistet werden auf den nächsten Seiten Kandidaten, die David James beerben könnten bzw. es besser gemacht haben als er. Zum einen nennt die Sun fünf mögliche Kandidaten, die James im Kasten beerben können und sollten. Zum anderen zählen die Fußballanalysten 10 Anwärter auf, die bessere Komödianten und Entertainer sind, als der nunmehr nicht mehr im englischen Tor stehende James. Ehre, wem Ehre gebührt. Die Verantwortlichen von SunSport haben es verdient, einfach so im Schwalbe-Magazin gewürdigt zu werden, wie sie schreiben — ohne Scheiß und weitere Kommentierung.

„Dinge, die er nicht tut, [...] das Anlassen seiner Hosen in der Nähe von Frauen aus dem Fußballbereich.“

Ins Visier genommen wird natürlich auch Sven-Göran Eriksson, der nach dem Spiel gegen Österreich nicht sofort seinem Keeper die Hände abgehackt und seinen eigenen Rücktritt verkündet hat. Also listet die Seele des englischen Volkes einfach mal auf, was der gute Sven-Göran Eriksson so macht und was er nicht macht. Auf der Habenseite sind immerhin die Auswahl der Nati-Spieler, vier Millionen Pfund Jahresgehalt und schöne Reisen zu den großen Spielen der Premier League. Zudem die Auswahl schöner Frauen aus der unmittelbaren Umgebung des Fußballs (Verbands-Sekretärinnen, TV-Moderatorinnen u.a.).

Auf der Seite der Dinge, die er nicht tut, sind aber leider, die taktische Schulung seiner Spieler, die Motivation seiner Spieler, die Disziplinierung seiner Spieler sowie das Anlassen seiner Hosen in der Nähe von Frauen aus dem Fußballbereich.

James ist nach vier Seiten aus dem Kasten raus. Der schwedische Coach hat nur drei Seiten für sich und darf daher noch ein wenig arbeiten. Großmut ist eine Zier. Die Sun weiß dies zu differenzieren.